Ohne Karotte und Peitsche: gute Führung im digitalen Raum
Für viele Menschen bedeutet das Jahr 2020 einen Sprung in die zunächst kalten Gewässer der digitalen Kommunikation. Viele Engagierte aus dem Non-Profit-Sektor stehen vor den Fragen: Wie können wir digital als Team zusammenkommen? Und wie kann gute Führung auch im digitalen Raum gelingen? In der Virtuellen Kaffeepause vom SKala-CAMPUS tauschten wir uns dazu mit Katja Jäger vom betterplace LAB aus.
Die Digitalisierung verlangt Veränderungsfähigkeit von uns. Sie setzt voraus, dass wir Althergebrachtes neu denken, uns auf ungewohnte Pfade begeben und uns darauf einlassen, manchmal nicht direkt eine Antwort auf alle Fragen zu haben. Katja Jäger, Außenministerin vom betterplace LAB, macht direkt zu Beginn der Virtuellen Kaffeepause im Gespräch mit der LEAD Academy und dem SKala-CAMPUS deutlich, dass diese Herausforderungen uns nicht erst seit der Corona-Krise beschäftigen. Die Krise macht sie nur sichtbarer.
Experimente mit neuen digitalen Formaten
Das betterplace LAB ist ein Think-and-Do-Tank mit der Mission, mehr Menschlichkeit in die digitale Welt zu bringen. Das LAB wird immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie Teams zusammenkommen und Verbindungen im digitalen Raum schaffen können. Katja Jäger ermutigt dazu, mit neuen Formaten zu experimentieren. Eigens dafür hat das betterplace LAB ein Kartenset mit erprobten Formaten in der digitalen Kommunikation entwickelt, welches zum kostenloses Download bereit steht. Im Gespräch erklärt Katja Jäger, wie etwa Embodiment-Übungen aussehen können. Wenn wir den ganzen Tag vor den Bildschirmen sitzen, kann es helfen, sich verbunden über das Digitale regelmäßig auch wieder im eigenen Raum zu verorten – sei es im Home Office, im Büro, im Zug oder sogar am Strand. Eine solche Mischung aus Meditation und Körperübung lässt sich auch gemeinsam über ZOOM umsetzen und macht fit für kommende inhaltliche Diskussionen in Konferenzen und Meetings.
Offenheit und Nähe erleichtern die Arbeit auf Distanz
Trotz vieler Möglichkeiten und Chancen betont Katja Jäger, dass nicht immer alles toll ist. So fehlt es im Digitalen beispielsweise an Kontextinformationen:
Sitzt der Kollege gerade verspannt da? Wippt die Kollegin etwas gestresst mit der Fußspitze? Dies können wir über die kleinen Kamerabilder nur selten wahrnehmen. Auch Zwischenmomente wie Tür- und Angelgespräche lassen sich im digitalen Raum nur begrenzt gestalten. Gelungene digitale Kommunikation spiegelt wider, wie eng das Team schon vorher zusammengearbeitet hat. Bereits bestehendes Vertrauen, Nähe und Zusammenhalt sowie Offenheit erleichtern die Arbeit auf Distanz.
Lern- statt Fehlerkultur – auch für Führungskräfte
Katja Jäger sieht eine große Chance darin, dass Fehler als Möglichkeit der Weiterentwicklung und des Fortschritts gesehen werden: „Fehler sind zum Lernen da“, sagt sie und fordert einen Wandel weg von der Fehler- hin zur Lernkultur. Wer Veränderung möchte, der muss Dinge anders machen als zuvor, und dies erhöht immer auch die Fehlerquote. Doch erst dies ermöglicht einen Lernprozess. Auch Führungskräfte können und sollen sich in solchen Prozessen als überfordert outen können. Es geht darum, sagen zu können: „Darauf habe ich gerade keine Antwort“ und sich dadurch als Mensch — und nicht nur als Führungskraft — zu zeigen.
Vertrauen und Rücksicht als Basis guter Führung
„Im betterplace LAB glauben wir daran, dass alle Menschen ihre Potentiale entfalten wollen und nach Entwicklung streben“, erklärt Katja Jäger. Deshalb braucht es auch im Home Office keine Politik der Karotte oder Peitsche. Den Mitarbeitenden wird das Vertrauen entgegengebracht, ihren Arbeitsbereich voranbringen und sich innerhalb des Jobs entwickeln zu wollen. Es wird darauf geachtet, dass es allen Teammitgliedern gut genug geht, diesen Aufgaben gerecht zu werden. Dafür gibt es regelmäßige Check-Ins, also Momente in Meetings, in denen explizit nach dem Gemüts- und Gesundheitszustand aller Beteiligten gefragt wird. Alle teilen die Aufgabe, aufeinander aufzupassen. Teamformate wie Retrospektiven können dabei helfen.
Krise als Chance für einen gemeinsamen Werteprozess wahrnehmen
Gemeinnützige Organisationen teilen, dass sie die Gesellschaft positiv beeinflussen wollen und somit einen Sinn und Zweck verfolgen, der über die reine Wirtschaftlichkeit weit hinausgeht. Doch Katja Jäger plädiert dafür, sich trotzdem und darüber hinaus mit dem sogenannten „Purpose“ der jeweiligen Organisation auseinander zu setzen. Denn nicht alle Teammitglieder arbeiten immer direkt an der Quelle der Sinnstiftung. Es kann zu Entfremdungen kommen, wenn der nach außen gelebte Sinn sich nicht in der Team- und Organisationskultur widerspiegelt. Das krisenbedingte „New Normal“ im Jahr 2020 kann in diesem Zusammenhang als Chance gesehen werden, um die Organisation und ihre Kultur nochmal mit anderen Augen zu betrachten und zu hinterfragen. Wichtig ist es bei solchen Prozessen, alle Mitarbeitenden einzubeziehen und herauszufinden, was ihnen wichtig ist. Ein gemeinsamer Werteprozess stärkt dabei nicht nur interne Zusammenarbeit, sondern auch ganz besonders die Kommunikation und den Außenauftritt in Krisenzeiten.
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