Jenseits der Checkliste – Ein Blick hinter die Kulissen des Wirkt-Siegels Demokratie
Das PHINEO Wirkt-Siegel macht wirkungsvolle Projekte sichtbar, bietet fachliches Feedback – und schafft Orientierung für alle, die gezielt fördern wollen. Projektleiterin Franka Ismer gibt im Interview Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Ein Gespräch über Möglichkeiten und Chancen der Analyse von gemeinnützigem Engagement, persönliche Aha-Momente und den Wunsch, sich mit einer Superkraft mitten ins Projektgeschehen zu beamen.
Franka, was treibt dich als Leiterin des Wirkt-Siegels Demokratie an?
Mich motiviert der Gedanke, einen Beitrag zu einer widerstandsfähigen, vielfältigen Demokratie zu leisten. Zivilgesellschaftliches Engagement ist für mich das Rückgrat einer starken demokratischen Kultur. Mit dem Wirkt-Siegel helfen wir dabei, genau solche Initiativen sichtbarer und wirksamer zu machen.

„Das Wirkt-Siegel ist mehr als ein Label für gemeinnützige Organisationen – es ist ein Entwicklungsschub.“
Franka Ismer
Was macht das Wirkt-Siegel Demokratie so besonders?
Es stellt Organisationen in den Mittelpunkt, die sich aktiv für unsere demokratische Gesellschaft einsetzen – gegen Desinformation, Diskriminierung und demokratiefeindliche Tendenzen. Bei unserer Analyse fließen neben der Prüfung von Wirkungspotenzial, Aufsichtsmechanismen, Finanzierung und Transparenz einer Organisation auch Faktoren wie werteorientiertes Handeln und gelebte demokratische Praxis in die Bewertung ein. Das Siegel verbindet also fachliche Tiefe mit klarer Haltung. Für Fördernde ist es eine wertvolle Orientierung, um engagierte und wirksame Initiativen gezielt zu unterstützen.
Warum braucht es für dieses Thema ein eigenes Siegel?
Demokratieförderung ist kein Querschnittsthema unter vielen, sondern ein Handlungsfeld mit spezifischen Herausforderungen. Ein eigenes Siegel schafft Anerkennung, Sichtbarkeit und mehr Förderfähigkeit. Ich hoffe, dass es nicht nur Organisationen stärkt, sondern auch eine Debatte über die Bedeutung demokratischer Resilienz anstößt.
Außerdem soll das Siegel Themen stärken, die nicht offensichtlich unter Demokratieförderung laufen – etwa inklusive Ansätze im Kulturbereich, die Arbeit mit benachteiligten Gruppen im ländlichen Raum oder die Förderung von Kindern mit erschwertem Bildungszugang.
Von der Bewerbung zur Auszeichnung
Wie läuft der Analyseprozess konkret ab?
Gemeinnützige Organisationen bewerben sich mit Projektunterlagen, die wir in einer mehrstufigen Analyse prüfen – inklusive Wirkungslogik, Finanzen und struktureller Qualität. Es folgen vertiefende Gespräche und schließlich die Entscheidung durch ein unabhängiges Fachgremium. Transparenz und Dialog stehen dabei immer im Vordergrund.
Wo stehen die Organisationen? Was können sie besonders gut – und wo hakt es manchmal?
Viele sind stark in der Kontextnähe, im Engagement, in der partizipativen Gestaltung. Da sehen wir richtig gute Ansätze. Luft nach oben gibt es oft bei systematischer Wirkungsmessung oder bei der Verknüpfung von Zielen, Indikatoren und Evaluation. Wir verstehen uns im Prozess nicht nur als Prüfende, sondern auch als Begleiter*innen: Ab der zweiten Analysephase geben wir fundiertes Feedback zur Weiterentwicklung.
Was bedeutet Wirkung für euch konkret?
Wir schauen genau: Wird ein Bedarf erkannt? Werden Ziele klar benannt und aus diesem Bedarf abgeleitet? Gibt es eine stringente Wirkungslogik, nachvollziehbare Indikatoren, eine stimmige Evaluation der Ergebnisse? All das bildet für uns den Kern von Wirkungsorientierung.
Und wie gehen Haltung und Werte in die Analyse ein – lassen die sich überhaupt „bewerten“?
Haltung und Werte sind kein Zusatz, sondern elementarer Bestandteil – gerade in der Demokratiearbeit. Sie prägen das „Wie“ eines Projekts. Partizipation ist da oft ein guter Gradmesser. Wer glaubwürdig partizipativ arbeitet, zeigt meistens auch eine klare innere Haltung.
Wie schafft ihr es, bei aller Standardisierung die Individualität der Projekte zu erfassen?
Wir arbeiten mit festen Kriterien, aber interpretieren sie im Dialog flexibel – je nach Kontext und Zielgruppe. Unsere Bewertungen sind immer im Team reflektiert, wir legen Wert auf ein Vier-Augen-Prinzip und holen uns Expertise ins Gremium. Es ist eine Balance aus Struktur und Offenheit.
Bewertung im Dialog: Analyse und Feedback
Was sind die größten Herausforderungen im Analyseprozess?
Die Vielfalt! Methodisch müssen wir immer wieder neu bestimmen, was „Wirkung“ im jeweiligen Kontext überhaupt heißt. Das ist fordernd, aber auch spannend – weil wir ständig dazulernen.
Beobachtest du Trends in der Demokratiearbeit, die eure Analyse verändern?
Definitiv. Wir sehen mehr Politisierung – viele Projekte positionieren sich klar gegen rechte Narrative oder für marginalisierte Gruppen. Auch digitale Formate und neue Allianzen nehmen zu. Besonders im Bereich Desinformation und Medienkompetenz betreten viele noch Neuland. Das erhöht unsere Verantwortung – und den Bedarf an kluger, unterstützender Analyse.
Kommt es vor, dass Projekte tolle Ziele haben, aber analytisch nicht überzeugen können?
Ja, das passiert. Manchmal haben Projekte einen guten Ansatz, aber noch nicht die nötigen Strukturen. Dann versuchen wir, ehrlich und konstruktiv zu beraten. Transparenz ist da entscheidend.
Was verändert das Wirkt-Siegel für die ausgezeichneten Organisationen?
Viele berichten von mehr Sichtbarkeit, größerem Vertrauen bei Förderpartnern – und einem neuen Blick auf sich selbst. Auch intern wirkt es oft wie ein Entwicklungsschub. Das Siegel ist mehr als ein Label – es ist ein Lernprozess.
Interviews mit unseren Expert*innen:
Zum Schluss: ganz persönlich
Wie hat die Arbeit deinen eigenen Blick auf Demokratie verändert?
Es hat meine Einstellung gestärkt, dass auch Unternehmen noch viel mehr Verantwortung für die Stärkung der Demokratie und das zivilgesellschaftliche Engagement übernehmen sollten. Außerdem sehe ich klarer, wo mein eigener Handlungsspielraum liegt – wie ich als Einzelperson Demokratie im Alltag stärken kann.
Gab es im Rahmen des Wirkt-Siegels Demokratie etwas, das dich besonders berührt oder überrascht hat?
Vor allem hat mich die große Vielfalt an Ansätzen überrascht. Jedes Projekt ist ja im Grunde eine Antwort auf ein Problem im System. Berührt hat mich, wie viele Organisationen gezielt mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Da ist das Veränderungspotenzial riesig.
Was würdest du allen Organisationen in Sachen Wirkung mit auf den Weg geben?
Fragt eure Zielgruppe nicht nur, was sie braucht – sondern was sich durch eure Arbeit wirklich verändert hat. Im Denken, im Handeln, in ihrer Lebenswelt.
Was ist eine unterschätzte Eigenschaft für gute Analyst*innen?
Ehrliches Interesse am Thema. Ohne das wird’s schwer – gerade im Feld der Demokratiearbeit.
Wenn du eine Superkraft für deine Arbeit hättest – welche wäre das?
Ich würde mich gern spontan an den Ort des Wirkens beamen. Einfach mitten rein ins Projekt – für einen echten Eindruck.
Welcher Song passt am besten zum Analyseprozess?
Die vier Jahreszeiten von Vivaldi. Im Analyseprozess gibt es auch alle diese Stimmungen.
Und eine abschließende Frage: Was magst du eher nicht am Analyseprozess und was ganz besonders?
Was ich nicht mag – dass wir Absagen vergeben müssen. Und was ich ganz besonders mag: Das Team – die Zusammenarbeit, der Austausch und das gemeinsame Lernen mit den Analyst*innen ist unfassbar bereichernd!
Danke dir für das Interview!