Ech­te Part­ner­schaf­ten ent­ste­hen, wenn man Ver­ant­wor­tung teilt

Wie kön­nen Unter­neh­men gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung über­neh­men, ohne dass ihr Enga­ge­ment zum rei­nen Image­pro­jekt wird? Die­se Fra­ge beschäf­tigt vie­le Fir­men, auch John Dee­re. Das Unter­neh­men enga­giert sich im Bereich Bil­dung und Ernäh­rungs­si­cher­heit. Seit zehn Jah­ren besteht nun die Part­ner­schaft zwi­schen John Dee­re und vier­zehn loka­len Tafeln. Dafür arbei­tet John Dee­re eng mit Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen wie der Tafel Bruch­sal und der Tafel Mann­heim zusam­men. Gemein­sam wol­len sie nicht nur kurz­fris­tig hel­fen, son­dern lang­fris­tig etwas bewirken.

Ein Gespräch über Ver­ant­wor­tung und die Kraft von Koope­ra­tio­nen zwi­schen Wirt­schaft und Zivil­ge­sell­schaft mit Tan­ja V. Kni­ckel, Glo­bal HR Direc­tor bei John Dee­re, Oli­ver Fro­werk, Bereichs­lei­tung Tafel Bruch­sal e. V. und Manu­el Wam­ser, Lei­tung der Tafel Mann­heim e. V.

Redak­ti­on: Frau Kni­ckel, Sie sind Glo­bal HR Direc­tor bei John Dee­re. Das Unter­neh­men enga­giert sich seit Jah­ren im Bereich Bil­dung und Food Secu­ri­ty. Wie sieht die­ses Enga­ge­ment kon­kret aus?

Tan­ja V. Kni­ckel: Unser Enga­ge­ment in den Berei­chen Bil­dung und Ernäh­rungs­si­cher­heit ist tief in unse­rer Unter­neh­mens­kul­tur ver­an­kert. Gemein­sam mit unse­rem Part­ner United Way haben wir unser Enga­ge­ment stra­te­gisch auf­ge­stellt, um noch wir­kungs­ori­en­tier­ter zu han­deln. Über die Jah­re haben wir nun eine Viel­zahl wir­kungs­vol­ler Initia­ti­ven wie den Day of Caring inte­griert. Hier packen wir Lebens­mit­tel­tü­ten für regio­na­le Tafeln. Das pas­siert jähr­lich an meh­re­ren Stand­or­ten. Außer­dem haben wir das Men­to­ring-Pro­gramm Job­lin­ge oder auch die First Lego League im Unter­neh­men eta­bliert. Ins­ge­samt geht es uns nicht um punk­tu­el­le Aktio­nen, son­dern um nach­hal­ti­ge Struk­tu­ren und mess­ba­re Ergebnisse.

Oli­ver Fro­werk: Genau das schät­zen wir an der Part­ner­schaft mit John Dee­re. Lang­fris­ti­ge Part­ner­schaf­ten ermög­li­chen Pla­nungs­si­cher­heit, Infra­struk­tur-Inves­ti­tio­nen und nach­hal­ti­ge Pro­jek­te. Unter­neh­mens­part­ner­schaf­ten sind für uns sehr wich­tig. Sie brin­gen nicht nur Lebens­mit­tel und finan­zi­el­le Unter­stüt­zung, son­dern auch Know-how, logis­ti­sches Poten­zi­al und Sicht­bar­keit. Ent­schei­dend sind die Tie­fe und Kon­ti­nui­tät des Engagements.

Manu­el Wam­ser: Das kön­nen wir nur bestä­ti­gen. Unter­neh­men kön­nen eine wich­ti­ge gesell­schaft­li­che Rol­le über­neh­men, die weit über Spen­den hin­aus­geht. Sie haben die Mög­lich­keit, Ver­ant­wor­tung für das Gemein­wohl zu über­neh­men und so aktiv gegen Ernäh­rungs­ar­mut mit­zu­wir­ken. Für uns sind das die Part­ner­schaf­ten, die zäh­len: Wenn Unter­neh­men Teil einer soli­da­ri­schen Bewe­gung wer­den, die Men­schen nicht aus­grenzt, son­dern ihnen Chan­cen und Teil­ha­be ermöglicht. 

Tan­ja V. Kni­ckel, Glo­bal HR Direc­tor bei John Deere

Ech­tes Enga­ge­ment beginnt dort, wo wir bereit sind, Ver­ant­wor­tung zu übernehmen.“

Redak­ti­on: Eini­ge Unter­neh­men scheu­en sich davor, sich zu enga­gie­ren. Auch weil sie Angst haben vor einem Vor­wurf des Social Washings haben. Ist das für Sie nachvollziehbar? 

Oli­ver Fro­werk: Ich den­ke, Social Washing ist, wenn Enga­ge­ment pri­mär PR-getrie­ben ist und kei­ne ech­ten Res­sour­cen oder ver­läss­li­che Fol­ge­leis­tun­gen bereit­stellt. Abge­se­hen von der finan­zi­el­len Hil­fe, ist bei­spiels­wei­se das Cor­po­ra­te Vol­un­tee­ring, wie es John Dee­re betreibt, ein gro­ßer Hebel und beson­ders wir­kungs­voll. Es ist struk­tu­riert und erfolgt regel­mä­ßig. Ohne das wäre ein Betrieb der Tafel undenkbar. 

Tan­ja V. Kni­ckel: Die Gren­ze ist für mich ganz klar: Ech­tes Enga­ge­ment beginnt dort, wo wir bereit sind, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Es geht um lang­fris­ti­ge Part­ner­schaf­ten, mess­ba­re Wir­kung und die Bereit­schaft, zuzu­hö­ren und zu ler­nen. Mar­ke­ting kann ein Ver­stär­ker sein, aber nie­mals der Antrieb.

Redak­ti­on: Es geht also auch um Authentizität?

Tan­ja V. Kni­ckel: Auf jeden Fall. Wenn wir spü­ren, dass unser Han­deln authen­tisch ist, wis­sen wir, dass wir auf dem rich­ti­gen Weg sind. Ich enga­gie­re mich auch per­sön­lich mit gro­ßer Über­zeu­gung für unse­re Initia­ti­ven, und freue mich dar­über, dass die­ses Enga­ge­ment auch von unse­ren Mit­ar­bei­ten­den und Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen mit der­sel­ben Lei­den­schaft und Ernst­haf­tig­keit aus­ge­übt wird. 

Oli­ver Fro­werk: Es geht auch um die Signal­wir­kung. Wenn Mit­ar­bei­ten­de von John Dee­re beim Day of Caring mit anpa­cken, ist das natür­lich prak­ti­sche Unter­stüt­zung, aber vor allem ist es ein star­kes Zei­chen an unse­re Tafel Mit­ar­bei­ten­den und Ehren­amt­li­chen Helfer*innen. Wenn Unter­neh­men lang­fris­tig Ver­ant­wor­tung über­neh­men und ihre Mit­ar­bei­ten­den haut­nah erle­ben, wel­chen Unter­schied ihr Enga­ge­ment im Leben von Men­schen macht, dann kön­nen wir wirk­lich etwas bewegen.

Tan­ja V. Kni­ckel: Da gehe ich mit. Denn für vie­le unse­rer Mit­ar­bei­ten­den sind die Days of Caring ein High­light im Jahr, weil sie auf eine ganz bestimm­te Wei­se Sinn stif­ten. An die­sem Tag arbei­ten unse­re Frei­wil­li­gen abtei­lungs­über­grei­fend Hand in Hand, es ent­steht Stolz und das Bewusst­sein, dass wir gemein­sam etwas Gro­ßes bewe­gen kön­nen. Die­ses Enga­ge­ment stärkt nicht nur den Team­geist, son­dern auch die emo­tio­na­le Bin­dung ans Unter­neh­men und die Unternehmenskultur. 

Manu­el Wam­ser, Lei­tung Tafel Mann­heim e. V.

Ohne funk­tio­nie­ren­de Infra­struk­tur, wie Kühl­fahr­zeu­ge, Lager­flä­chen, digi­ta­le Sys­te­me, blei­ben Lebens­mit­tel­spen­den wirkungslos.“

Redak­ti­on: Wel­ches Enga­ge­ment wirkt denn am besten?

Oli­ver Fro­werk: Die größ­te Wir­kung ent­steht durch eine Kom­bi­na­ti­on: Geld für Sta­bi­li­tät, Sach­spen­den für unmit­tel­ba­re Bedarfs­lin­de­rung und geziel­te Vol­un­teer-Ein­sät­ze, um Woman- und Man­power effek­tiv ein­set­zen zu kön­nen. Dann ist der Social Washing Gedan­ke auch besiegt. 

Manu­el Wam­ser: Jede Form der Unter­stüt­zung ist wert­voll, wenn wir ehr­lich sind, ist die finan­zi­el­le För­de­rung die wirk­sams­te. Aber auch sie muss stra­te­gisch sein. Sie schafft die Grund­la­ge dafür, dass Sach­spen­den über­haupt bewegt, gela­gert und aus­ge­ge­ben wer­den kön­nen. Ohne funk­tio­nie­ren­de Infra­struk­tur, wie Kühl­fahr­zeu­ge, Lager­flä­chen, digi­ta­le Sys­te­me, blei­ben Lebens­mit­tel­spen­den wirkungslos.

Redak­ti­on: Mes­sen Sie alle die Wir­kung des Engagements? 

Tan­ja V. Kni­ckel: Wir mes­sen unse­re Wir­kung über qua­li­ta­ti­ve und quan­ti­ta­ti­ve Indi­ka­to­ren: Teil­neh­men­den­zah­len, Frei­wil­li­gen­stun­den, die von unse­ren Mit­ar­bei­ten­den über unser Frei­wil­li­gen­por­tal Power for Good“ ein­ge­tra­gen wer­den, Score Cards, Feed­back aus der Com­mu­ni­ty, aber auch über die lang­fris­ti­ge Part­ner­schaft mit United Way, die uns dabei hel­fen, die Wir­kung sys­te­ma­tisch zu erfassen.

Oli­ver Fro­werk: Auch wir mes­sen sowohl quan­ti­ta­ti­ve als auch qua­li­ta­ti­ve Effek­te. Quan­ti­ta­tiv erfas­sen wir z. B. aus­ge­ge­be­ne Lebens­mit­tel­men­gen, Anzahl ver­sorg­ter Haus­hal­te, Ver­tei­lungs­häu­fig­keit und Ände­run­gen in unse­rer Lager­ka­pa­zi­tät. Qua­li­ta­tiv arbei­ten wir mit Rück­mel­dun­gen von Kund*innen, Ehren­amt­li­chen und Mitarbeitenden.

Manu­el Wam­ser: Ich möch­te gern hin­zu­fü­gen: Wenn wir durch die Unter­stüt­zung Fami­li­en ein Stück mehr Sicher­heit geben kön­nen, dann ist auch das ein mess­ba­rer Erfolg.

Oli­ver Fro­werk: Stimmt. Kun­din­nen und Kun­den freu­en sich jedes Jahr bereits im Vor­feld die jähr­li­che Tüten­ak­ti­on“ zum Day of Caring von John Dee­re und fra­gen schon lan­ge Zeit zuvor, wann es wie­der eine Akti­on geben wird. Es ist ein gro­ßes Event, auf Kun­den­sei­te und Sei­ten der Helfer. 

Oli­ver Fro­werk, Bereichs­lei­tung Tafel Bruch­sal e. V.

Unter­neh­men kön­nen eine wich­ti­ge gesell­schaft­li­che Rol­le über­neh­men, die weit über Spen­den hinausgeht.”

Redak­ti­on: Enga­ge­ment wirkt also auf meh­re­ren Ebe­nen, nicht aus­schließ­lich bei denen, die Bedürf­tig sind, son­dern auch kon­kret bei den Helfenden? 

Tan­ja V. Kni­ckel: Ja. Das Enga­ge­ment unse­rer Mit­ar­bei­ten­den ist kein Extra“, son­dern Teil unse­rer Iden­ti­tät und wird von unse­ren Mit­ar­bei­ten­den mit gro­ßer Begeis­te­rung aus­ge­übt. Gera­de in einer glo­ba­len Orga­ni­sa­ti­on wie John Dee­re ist es ent­schei­dend, dass unse­re Wer­te nicht nur auf dem Papier ent­ste­hen, son­dern gelebt wer­den. Des­halb ist gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment heu­te fest in unse­rer Stra­te­gie ver­an­kert – mit mess­ba­ren Zie­len und einem lang­fris­ti­gen Wirkungsanspruch.

Redak­ti­on: Wür­den Sie sagen, dass Enga­ge­ment inzwi­schen auch ein Wett­be­werbs­vor­teil im Recrui­ting ist?

Tan­ja V. Kni­ckel: Gera­de bei jün­ge­ren Talen­ten fällt auf, dass sie gezielt nach unse­rem gesell­schaft­li­chen Enga­ge­ment fra­gen. Es ist ihnen wich­tig, zu ver­ste­hen, wofür John Dee­re steht und wel­che Mög­lich­kei­ten es gibt, über die eige­ne Rol­le hin­aus einen Bei­trag zu leis­ten. Es ent­steht der Ein­druck, dass Bewerber*innen es schät­zen, nicht nur Teil eines Unter­neh­mens zu sein, son­dern auch gesell­schaft­lich mit­ge­stal­ten zu können.

Redak­ti­on: Wenn Sie sich alle etwas wün­schen könn­ten. Was wäre das?

Oli­ver Fro­werk: Kon­kret wün­schen wir uns von Fir­men mit­tel- und lang­fris­ti­ge För­der­zu­sa­gen statt Ein­mal­spen­den, Inves­ti­tio­nen in Infra­struk­tur und Prä­ven­ti­ons­pro­jek­te (z. B. Kühl­räu­me, Trans­port­ka­pa­zi­tä­ten, Ernäh­rungs- und Koch­an­ge­bo­te) sowie den Blick hin­ter den Tafel­all­tag: Der Mensch steht hier im Vor­der­grund – in den sel­tens­ten Fäl­len ist Armut selbst­ver­schul­det. Die­se sozia­le Kom­po­nen­te wird oft ver­ges­sen. Die Tafel lin­dert die ele­men­ta­ren Bedürf­nis­se wie eben Lebens­mit­tel, oft ste­cken wei­te­re Aspek­te im Hin­ter­grund (Bil­dung, Teil­ha­be etc.).

Manu­el Wam­ser: Unser Kern­ziel war von Anfang an die Redu­zie­rung von Food Was­te. Erst im zwei­ten Schritt folg­te dann die Ver­tei­lung der geret­te­ten Lebens­mit­tel an bedürf­ti­ge Men­schen. Wir wün­schen uns, dass Unter­neh­men ihre Lie­fer­ket­ten und Ein­kaufs­prak­ti­ken so gestal­ten, dass weni­ger Lebens­mit­tel über­haupt erst aus­sor­tiert wer­den müs­sen. Aber natür­lich ist Unter­stüt­zung in jeder Form willkommen. 

Tan­ja V. Kni­ckel: Ich wür­de mir wün­schen, dass Unter­neh­men etwas muti­ger wer­den. Gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment lässt sich mit der Mis­si­on und der Kul­tur ver­bin­den oder auch mit dem Kern­ge­schäft. Es geht nicht um Grö­ße, son­dern um Hal­tung. Enga­ge­ment muss nicht immer groß sein, aber es soll­te echt sein. Man soll­te sich einen Fokus suchen, Part­ner­schaf­ten auf Augen­hö­he auf­bau­en, so wie wir es gemein­sam seit zehn Jah­ren mit den Tafeln machen, und die Mit­ar­bei­ten­den ein­bin­den. Der Rest wächst mit der Erfahrung. 

Redak­ti­on: Dan­ke Ihnen allen für das Gespräch.

Ihre Ansprech­per­son

Anni­ka Köh­ne | Head of United Way Germany

annika.​koehne@​phineo.​org | +49 30 5200 65 381