Initiative Mobilitätskultur
„Mehr rechtliche Spielräume für Kommunen!”
Herrn Horn, Sie sind ehemaliger Leiter der Abteilung Verkehr beim Berliner Senat und arbeiten heute als Berater für Verkehrspolitik und ‑planung. Vor gut einem Jahr haben wir schon einmal mit Ihnen gesprochen. Damals haben Sie die Bedeutung gemeinnützigen Engagements für neue Verkehrslösungen betont. Ist jetzt alles fein?
Burkhard Horn: Das kommt ein bisschen auf den Blickwinkel an… Auf der einen Seite sprießen zivilgesellschaftliche Initiativen zur Unterstützung der Verkehrswende vor allem im urbanen Raum wie Pilze aus dem Boden. Andererseits ist der notwendige Wandel bislang weiterhin kaum sichtbar. Und von einem breiten gesellschaftlichen Konsens zu den notwendigen Maßnahmen sind wir noch weit entfernt.
Fachlich beraten Sie auch unsere Initiative Mobilitätskultur. Sie fördert im Auftrag eines anonymen Spenders Projekte, die sich für eine nachhaltige Mobilität und lebenswerte Städte und Gemeinden einsetzen. Welche Ansätze und Ideen halten Sie für besonders erfolgversprechend?
Burkhard Horn: Ich glaube, es ist wichtig, dass die Projekte den Mehrwert, den ein Wandel für alle Menschen haben kann, möglichst gut sichtbar machen sollten – auch buchstäblich, etwa bei der Gestaltung öffentlicher Räume. So kann man auch Menschen besser erreichen, die Veränderungen eher skeptisch gegenüberstehen oder sogar Angst davor haben. Und wir brauchen mehr Projekte, die sich nicht nur mit innerstädtischen Wohlfühloasen befassen, sondern auch die „dicken Bretter“ der Mobilitätswende angehen, etwa im ländlichen Raum, wo wir aktuell gerade spannende Projekte für eine neue Förderphase der Initiative Mobilitätskultur auswählen.
Bei so viel zivilgesellschaftlichen Engagement – braucht es da noch die Politik?
Burkhard Horn: Auf jeden Fall! Sie muss ja für den rechtlichen, finanziellen und institutionellen Rahmen der Mobilitäts- und Verkehrswende sorgen. Sie ist aber auch für den breiten gesellschaftlichen Diskurs unverzichtbar. Und schließlich wird der Wandel auch mit einem hohen infrastrukturellen Aufwand verbunden sein – das ist vor allem eine politisch abgesicherte Aufgabe des Staates.
In wenigen Tagen ist Bundestagswahl. Welche offenen Baustellen sollte eine zukünftige Koalition aus Ihrer Sicht auf jeden Fall auf ihre Agenda hieven?
Burkhard Horn: Das wäre eine lange Liste… Es gibt die auch von mir unterstützte Idee eines „Bundesmobilitätsgesetzes“, das auf Bundesebene erstmals einen verbindlichen Zielekanon für nachhaltige Mobilität definieren soll, woraus sich dann auch der notwendige Anpassungsbedarf bei ganz vielen Themen ableiten würde, von der Bundesverkehrswegeplanung über die Finanzierung bis zum Verkehrsrecht. Die vielleicht wichtigste Sofortmaßnahme: Mehr rechtliche Spielräume für die Kommunen bei der Erprobung und Umsetzung von Maßnahmen im Sinne der Mobilitäts- und Verkehrswende – zum Beispiel bei der Anordnung von Tempo 30 an Hauptstraßen.