Bundesteilhabegesetz
Worauf es jetzt ankommt
Seit nunmehr zwei Jahren stehen die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit in dem Bundesteilhabegesetz (BTHG). Wir haben Ideen, was es braucht, damit das Gesetz positiv wirken kann.
Bundesteilhabegesetz leicht erklärt
Das 2017 schrittweise in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz hat das Ziel, das Leben von Menschen mit Behinderungen zu verbessern und damit einer inklusiven Gesellschaft näher zu kommen. Das soll über bessere Teilhabe und mehr Selbstbestimmung erreicht werden. Wichtige Anregungen für das Gesetz gab die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008.
In dem BTHG wird auch die Eingliederungshilfe geregelt, was bisher im Rahmen der Sozialhilfe stattfand. Ebenfalls neu: Wirkung und Wirksamkeit sind Kriterien der Leistungsvergabe und ‑vergütung, genannt in §§ 128 und 131 des SGB IX.
Allerdings ist weder der eine, noch der andere Begriff gesetzlich definiert und bislang gibt es keine Erfahrungen aus der Praxis.
Wirkung ist nicht gleich Wirksamkeit
Die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit werden fälschlicherweise häufig synonym verwendet. Bezogen auf gemeinnützige Arbeit spricht man immer dann von Wirkung, wenn eine Maßnahme zu Veränderungen bei der Zielgruppe, in deren Lebensumfeld und/oder in der Gesellschaft insgesamt führt.
Wirkung ist also das, was bei den Menschen der Zielgruppe passiert. Wirksamkeit bezieht sich auf den Erfolg der gewählten Maßnahme. Ist eine Maßnahme wirksam, dann erzeugt sie die beabsichtigte Wirkung bei den Menschen der Zielgruppe.
Von der Theorie zur Leistungsvereinbarung
Die aktuelle Unklarheit führt zu großer Unsicherheit bei den Leistungserbringern. „Jetzt kommt es darauf an, die Begriffe mit Leben zu füllen, um das Leben von Menschen mit Behinderungen tatsächlich zu verbessern”, sagt Charlotte Buttkus, Expertin in Sachen Wirkungsmanagement bei PHINEO. Es gibt bereits erste Positivbeispiele, wie so ein Prozess aussehen kann.
So arbeitet beispielsweise das Land Hamburg als Kostenträger eng mit den Leistungserbringern in einer Pilotphase zusammen und probiert aus, wie sich die Wirkung erheben lässt. Dabei werden die Erfahrungen gemeinsam ausgewertet und nicht gleich Kriterienkataloge eingeführt, ohne zu wissen, ob die Anforderungen auch leistbar sind.
Buttkus betont die Bedeutung dieses partnerschaftlichen Vorgehens: „Wirkung kann man nicht verordnen, sie braucht Vertrauen und das wird durch einen lebendigen auf Lernen ausgerichteten Dialog geschaffen.”
Was es braucht, damit das Gesetz positiv wirken kann
Das Gesetz macht Schluss mit dem Abhaken von erbrachten Leistungen. Vielmehr kommt es künftig darauf an, ob die beabsichtigten Ziele auch erreicht wurden und wie umgesteuert wird, wenn dem nicht der Fall ist – soweit die Theorie.
In der Praxis können sich diese positiven Effekte aber nur entfalten, wenn einige Voraussetzungen erfüllt werden:
- Wirkung braucht Fehlerkultur – Man kann nur ehrlich über Wirkung sprechen, wenn man offen über Fehler spricht. Dies erfordert allerdings eine Fehlerkultur, die das Nichterreichen von Zielen nicht sofort sanktioniert. Leistungserbringer sollten vielmehr ermutigt werden, aus ihren Erfahrungen zu lernen und umzusteuern.
- Wirkung braucht die richtige Messung – Leicht messbare Kennzahlen sind oft keine guten Kennzahlen. Wird nur das erhoben, was leicht mess- und erreichbar ist, ist Fehlsteuerung vorprogrammiert. Will man beispielsweise schauen wie eine Reha-Maßnahme zur Integration in den Arbeitsmarkt beiträgt, reicht es nicht darauf zu schauen, ob jemand tatsächlich Arbeit gefunden hat. Hier spielen einfach zu viele Faktoren rein. Wichtig wäre hingegen zu erfassen, inwieweit sich die Personen in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt fühlen, ob sie die relevanten Fähigkeiten / Kompetenzen für ein neues Tätigkeitsprofil erworben haben, ob die Tagesstruktur der Reha-Maßnahme zur Arbeitssuche motiviert und im Alltag trägt.
- Wirkung braucht den Blick auf das Individuum – Die Wirkungskriterien müssen so formuliert werden, dass individuelle Wünsche und Ziele erfasst werden können. Eine einheitliche Messung der Wirkung einer Maßnahme ist daher nicht möglich. Als Wirkungsbelege können beispielweise die persönliche Zufriedenheit und die Erreichung individueller Teilhabeziele dienen
- Wirkung braucht Know-how – Leistungserbringer müssen darin gestärkt werden, ihre Wirkung zu erheben. Bisher sind nur wenige Leistungserbringer in der Lage klar zu sagen, was erhoben werden muss und wie sich die erhobenen Daten klug interpretieren lassen und welche Schlüsse daraus gezogen werden.